„Tunika“ bezeichnet das Hauptkleidungsstück praktisch aller Schichten und beider Geschlechter von der Antike bis um 1400, als es langsam von Wams/Doublet abgelöst wurde: Ein fast immer wollenes Schlupfkleid mit engen Ärmeln, das auch „Kittel“, „Kirtle“, „Cotta“, oder „Cotte“ genannt wird. Je nach Mode, Geschlecht und Stand war die Tunika von unterschiedlicher Länge und Weite, anders verziert und geschlossen.
Die Tunika der Ordenskleidung (in lateinischen Quellen eigentlich immer: „tunica“) ist also erstmal nichts Besonderes. Sie koppelt sich im Hochmittelalter von der Entwicklung der zivilen Mode ab, erfüllt aber weiter die Grundfunktion der hochmittelalterlichen Tunika. Sie ist das den Körper bedeckende Hauptkleidungsstück, ohne die der Träger „nackt“ wäre – unabhängig von darunter getragener Unterwäsche. Sie ist nicht direkt ordensspezifisch gestaltet und wird erst in Kombination mit anderen Überkleidungsstücken zu einem Habit.
Eigenschaften der Tunika in der mittelalterlichen Ordensbekleidung
- Form: Ein Schlupfkleid mit engen Ärmeln, das ab Brust oder Hüfte durch eingesetzte Dreiecksstücke (Geren) Weite bekommt.
- Material: einfach gewebte Tuche aus Schafwolle – von groben kratzigen Stoffen bis zu feinen fast Anzugstoff-artigen sind viele Varianten wahrscheinlich. Aber immer Wolle.
- Farbe: geistliche Farben – von den ungefärbten Naturfarben von Schafwolle über überfärbte naturdunkle Stoffe und gefärbte/gebleichte Tuche.
- Länge: Bei weiblichen Religiosen knöchellang bis überbodenlang. Bei Laienbrüdern oft knie- oder überknielang. Bei Vollmönchen meist knöchel- bis bodenlang.
- In fast allen Orden wird die Tunika gemäß der generellen hochmittelalterlichen Praxis mit einem Ledergürtel gegürtet.
- Formen von Halsausschnitten und Ausschnitt- / Ärmelverschlüssen meist nicht sichtbar, aber im Rahmen der jeweiligen Zeit schlicht und ohne zusätzliche Objekte, wie Fibeln. Wenige Knöpfe sind vereinzelt ab dem 15. Jahrhundert anzunehmen, dann aber ebenfalls vorwiegend nicht sichtbar.
- Die Form und Position der Geren und die Konstruktion vor allem der Ärmelansätze und die Weite der Ärmel vor dem Handgelenk scheinen sich zu wandeln. Aber generell sind im Mittelalter die Ärmelabschlüsse am Handgelenk immer recht eng – keine Trompeten- oder Tütenlärmel bei der Tunika.
Wichtiger Hinweis: Je nach Zeit, Ort und Orden gab es bei diesen Eigenschaften viel Varianz. Die Tunika eines Benediktiners des 10. Jahrhunderts in der Reichsabtei Fulda und die Tunika eines Franziskaner-Fratizellen des 15. Jahrhunderts in einer toskanischen Einsiedelei waren sich zugleich aus moderner Sicht sehr ähnlich (knöchellanges wollenes Schlupfkleid mit engen Ärmeln) und doch unterschiedlich (Materialqualität, Färbung, wahrscheinlich Schnittdetails).
Sonderfall: Die Tunika der Minderbrüder
Die Minderbrüder oder Franziskaner, Minoriten und Konventualen haben laut den auf Franziskus zurückgehenden Regeln und Texten zwei Tuniken, wobei die äußere in Form und Nutzung im Mittelalter einer Kukulle entspricht (weitere Ärmel, Kapuze, viel Volumen) und die untere Tunika der „klassischen“ Ordenstunika (enge Ärmel, einfacher Halsausschnitt).
Hintergrund war das starke Bedürfnis nach einer Abgrenzung von den etablierten Mönchsorden der Zeit. Die frühen Minderbrüder verstanden sich als Bruderschaft und nicht als Mönche, wollten aber trotzdem als Religiose erkennbar sein. Die gewählte Lösung war ein Kleidungsstück in der Form einer Kukulle zu tragen, dieses aber un-kukullig mit einem Strick zu gürten und konsequent Tunika/tunica/tonaca zu nennen.
Offene Frage: Kapuzen an Tuniken
In den meisten Fällen kann davon ausgegangen werden, dass Tuniken keine angenähten Kapuzen hatten oder mit separaten Kapuzen getragen wurden. Das entspricht der „zivilen“ Nutzung, den meisten Quellen und auch der Vermutung, dass Tuniken tendenziell aus leichterem und feinerem Tuch, als die Überbekleidung gefertigt waren, zu der Kapuzen sinnvollerweise gehören.
Vereinzelt gibt es aber auch Bilder, auf denen enge Ärmel und Trageweise für Tuniken sprechen, aber eine Kapuze mit abgebildet ist. Mögliche Erklärungen sind: Unwissen/Fehler der Künstler, Überkleidungsstücke (Kukullen) mit unüblichem Schnitt, seltene separat getragene Gugelkapuzen (im Hochmittelalter oft noch ohne Schulterkragen), oder eben doch Tuniken mit Kapuzen – in jedem Fall aber wahrscheinlich als lokale Besonderheit, die nicht auf das allgemeine Bild von Ordenskleidung übertragen werden sollte.